Kernfragen: Perspektiven aus Russland und Polen

Teil 3 unser Interviewserie über das internationale Image der Atomkraft

Wie wird die Kernenergie in anderen Ländern betrachtet, wie steht die Bevölkerung dazu und was ist der Unterschied zur Schweiz? Diesen Fragen gehen wir in Gesprächen mit aus dem Ausland stammenden Mitarbeitenden, Expertinnen und Experten der Schweizer Nuklearbranche nach. Im dritten Teil unserer Interviewserie haben wir mit Maria Ludwig aus Russland und Damian Gbiorczyk aus Polen gesprochen. Beide arbeiten im Kernkraftwerk Gösgen (KKG).

30. Apr. 2024
Weltkugel KKW
Internationale Einblicke in die Kernenergie geben wir in der aktuellen Folge unserer Interviewserie.
Quelle: Nuklearforum unterstützt von Dall-e

Maria Ludwig, Bauingenieurin, Kernkraftwerk Gösgen – Ressort Bautechnik, Russland

Maria Ludwig
Quelle: zvg

Nach meinem Schulabschluss habe ich Bauingenieurwesen für Atomanlagen an der Moskauer nationalen Forschungsuniversität für Bauwesen studiert. Zu der Wahl meines Studiums haben verschiedene Gründe beigetragen, unter anderem die positive Entwicklung der Kernenergie in meinem Heimatland und mein allgemeines Interesse für die Kernenergie. Nach meiner Ankunft in der Schweiz im Jahr 2010 habe ich in verschiedenen Ingenieurbüros gearbeitet und seit 2014 bin ich im Kernkraftwerk Gösgen als Bauingenieurin tätig. Durch meinen Werdegang war ich auch vor meinem Eintritt ins KKG mit dem Thema Kernenergie vertraut.

Damian Gbiorczyk, ICT Security Engineer, Kernkraftwerk Gösgen, Polen

Damian Gbiorczyk
Quelle: zvg

Nach 15 Jahren in Deutschland bin ich vor zwei Jahren in die Schweiz gezogen, motiviert durch die Entscheidungen der deutschen Regierung, unter anderem sichere Kernkraftwerke abzuschalten und gleichzeitig LNG-Terminals für Fracking-Gas zu bauen, was meinen Vorstellungen von einer sinnvollen Klimapolitik widersprach. Im Kernkraftwerk Gösgen arbeite ich als ICT Security Engineer. Mir ist die Cybersicherheit besonders wichtig, da sie entscheidend ist, um die Betriebsintegrität unserer Anlagen zu wahren und gegen digitale Bedrohungen zu schützen. Diese Position ermöglicht es mir, meine Fachkenntnisse weiterzuentwickeln und gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag zur Sicherheit und Effizienz der Energieversorgung zu leisten, was mich mit grossem Stolz erfüllt.

«In Polen steht die Bevölkerung der Kernenergie positiv gegenüber.»

Sie kommen aus Russland und Polen. Wie ist der Status der Kernenergie dort, und wie wird sie Ihrer Meinung nach in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Maria Ludwig: Historisch war die Kernenergie immer von der grossen Bedeutung und auch jetzt bleibt die Kernenergie eine der federführenden Branchen für die wirtschaftliche und technologische Entwicklung in Russland. Auch die internationalen Projekte der Staatsbehörde Rosatom, welche als einzige weltweit die Lösungen in der gesamten Lieferkette der Kernenergie anbietet, sorgen für positives Ansehen der Branche in der Öffentlichkeit und Bevölkerung.

Damian Gbiorczyk: In Polen steht die Bevölkerung der Kernenergie positiv gegenüber, allerdings sind die Fortschritte durch eine oft ineffektive und korrupte Regierung gehemmt worden. Kernenergie wird schon seit 50 Jahren diskutiert und derzeit gibt es nur einen kleinen Forschungsreaktor. Es gibt Pläne für den Bau eines vollwertigen AKWs, jedoch bleibt die Fertigstellung bis 2035 ungewiss.

«Die Studiengänge in Verbindung mit der Kerntechnik sind in Russland nach wie vor sehr populär.»

Warum glauben Sie, hat die Kernenergie in Ihrem Heimatland dieses Image? Was tun Industrie, Unternehmen oder Regierung, um über die Kernenergie zu informieren und wie unterscheidet sich dies von der Schweiz?

Maria Ludwig: Das Unternehmen Rosatom macht es für die Bevölkerung möglich, die Kernenergie durch die zahlreichen Informationsveranstaltungen, Ausstellungen, Messen und Werbekampagnen kennenzulernen und dadurch wird ein positives Image der Branche vermittelt. Das Ausmass dieser Massnahmen ist ein wesentlicher Unterschied zu der Schweiz. Auch für die jungen Absolventen bietet die Kernenergie in Russland viele Möglichkeiten in der Forschung und Weiterentwicklung der Technologien an. Die Studiengänge in Verbindung mit der Kerntechnik sind nach wie vor sehr populär.
Auch lokal sorgen die Standorte der Kernkraftwerke für die Entstehung der Arbeitsplätze, allgemeine wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der ganzen Regionen rund um die Anlagen. Diese positive Entwicklung wird durch die lokale Bevölkerung sehr geschätzt.

Damian Gbiorczyk: Die Informationspolitik in Polen zur Kernenergie – wie auch zu anderen Themen – ist nicht besonders ausgeprägt. In der Schweiz wird dagegen viel Wert auf Öffentlichkeitsarbeit gelegt. Besonders durch die regelmässigen Führungen für Schulklassen und die transparente Kommunikation über die Anlagen und ihre Sicherheitsmassnahmen wird das Vertrauen in die Technologie gestärkt.

Verfasser/in

S.D.

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